"Ich glaube, dass wir alle besser sind, als ein Bürojob, der uns krank macht (...)"

Wenn ich etwas weiß, dann das gar nichts sicher ist.

Absolut nichts, außer das wir irgendwann sterben. 


Kein Job bietet Sicherheit, wie wir sie uns wünschen. Nicht umsonst arbeiten die meisten in Berufen oder Firmen, die sie selbst eigentlich geradezu verachten. Ich kenne niemanden, der sich nicht über seine Arbeit beschwert. Und von genau diesen Leuten wollte ich mir nicht mehr einreden lassen, dass meine Wünsche, meine Träume, meine kreativen Wege ins Berufsleben nach meinen Vorstellungen Humbug waren. Unglückliche Leute, die aus lauter Angst in ihrem Status Quo verharren, wollen wir tatsächlich sagen, was vernünftig ist? Diese Erkenntnis führte dazu, dass ich mir zwei Ziele setzte:

1. Lerne, auf die Meinung anderer zu scheißen.

Lerne, dass wirklich nur du bei deinem Leben mitreden kannst. Lerne mit den Labeln zu leben, die andere dir geben. Dann bist du eben in manchen Augen die arbeitslose, übergewichtige Schriftstellerin, die nur zu Hause rumheult. Du musst lernen, dass du dieses Bild nicht aus den Köpfen anderer vertreiben kannst. Und das die Energie, die diese Sisyphosarbeit kostet, dich von dem abhält, was du eigentlich schaffen willst.

2. Schreibe. So viel du kannst.

Und schicke es raus. So viel du kannst. Versuche alles, was du kannst. Und lerne, an dich zu glauben, daran, dass es irgendwann auch andere sehen werden, was du schon längst seit Jahren in dir selbst gesehen hast.

Diese zwei Punkte sind irrsinnig schwer umzusetzen, aber entscheidend für den Erfolg, in jedem Bereich. Wer seine Karriere in den Künsten sucht braucht nicht nur Energie, Glück, Zeit und viel Ausdauer, sondern auch noch enorm viel Selbstvertrauen. Ohne Selbstvertrauen wird man immer wieder scheitern. Nur woher denn Selbstvertrauen nehmen, wenn man immer wieder gesagt bekommen hat, dass die eigenen Träume irgendwie auch nur Schäume sind? Da waren viel zu wenig Cheerleader. Es gab zu wenig Applaus, zu wenig Anfeuern. Man schätzte zwar, was ich konnte. Aber dann doch scheinbar auch nicht so sehr, dass man daran glaubte, dass gerade ich es schaffen konnte.

Die Leute sagen, wenn man sie damit konfrontiert, dass sie natürlich immer an einen geglaubt haben und glauben. Sie nehmen es persönlich, wenn man sagt, dass man sich nie wirklich unterstützt gefühlt hat. Sie drehen den Spieß um, fühlen sich angegriffen, denn sie haben doch alles getan, waren immer da. Aber ist das wirklich der Fall? Ich selbst weiß, dass man sich nur angegriffen fühlt, wenn irgendwo auch ein wenig Wahrheit drin steckt oder wenn man so wirklich gar keine Ahnung hat, was einem jetzt vorgeworfen wird. Im letzteren Fall wird man ungläubig und empört reagieren. Man wird nicht auf die Details eingehen, denn die kennt man ja gar nicht. Wer sich aber nur verteidigt, anstatt zuzuhören, der wird innen drin feststellen: Etwas nicht zu fördern, obwohl es den Geförderten glücklich macht, ist eben genau der fehlende Applaus, der hier gemeint ist. Wenn man davon ausgeht, was weiß es besser. Wenn man davon ausgeht, man kennt bereits den Ausgang, den das ganze haben wird. Wenn man vom Scheitern ausgeht. Das ist eben keine Unterstützung. Das sind Ratschläge.

Schauen wir uns mal an, wer es eigentlich in der Künstlerbranche schafft, dann sind es entweder verkannte Genies, die zu ihren Lebzeiten belächelt werden, oder es sind Glückskinder, die in Kreisen groß werden, in denen nichts unmöglich geredet wird.


Es gibt natürlich die Kinder, die einfach mit Goldbarren im Bett groß werden. Geld kann alles für dich regeln, wenn es um deine Karriere geht, denn schließlich bedeutet eine geglückte Karriere u.a. auch Geld. Wer Geld hat, kann eine Schauspielausbildung bezahlen und muss nicht um die heiß begehrten Plätze an staatlichen Schulen kämpfen. Wer Geld hat, der kann sich Materialien kaufen, um hochwertigen Youtubecontent zu fabrizieren. Man kann sich sogar Follower und Likes kaufen, die wiederum echten Followern suggerieren, man sei ein Like wert. Es wird getrickst, wo es nur geht. Und wer nicht mit seinem Sexappeal punkten kann, der kann dies u.a. mit Geld. Sex sells. Und wer schon Geld hat, braucht nicht zwingend sellen. Ja, man kann sich sogar Zeit kaufen, denn wer schon Geld hat, der muss sich kaum mit Jobs aufhalten, die nur zum Geldverdienen ausgeübt werden.

Um dann wieder auf den Punkt zu kommen: Es ist extrem hart sich selbst einzureden, dass man ein Gewinner ist und einer von Tausenden, wenn man als einer unter Milliarden aufgewachsen ist. Und auch so behandelt wurde. Man kann es niemandem vorwerfen, dass man so aufgewachsen ist. Die Ängste sind ja berechtigt, denn sie werden bewusst gestreut und geschürt. Wer will schon zu viele Freigeister, die tatsächlich gerne arbeiten, aber sich ihre Arbeit auch dementsprechend bezahlen lassen wollen? Wer will denn starke, ideenreiche Mitarbeiter? Also, ich meine jetzt mal ganz ehrlich? Das was die Firmen auf dem Papier suchen suchen sie noch lange nicht in der Praxis. Sie suchen nur Leistung. Und wie diese erbracht wird ist egal, solange nicht zu viele Fragen und Anforderungen vom Arbeitnehmer gestellt werden. Und genau dagegen rebellieren künstlerische Berufe. 


Kunst steht für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, für Kritik an Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, für freie Meinung, Freiheit, ehrliche Emotionen und Gedanken, ohne Zensur oder Korsett. Da ist alles erlaubt. Und das muss natürlich auch als Humbug dargestellt werden von denen, die mit Zahlen jonglieren und zwischendurch auch mit Menschenseelen. Wir sollen nicht über uns hinauswachsen. Oder vielmehr, wie sollen schon über unsere Grenzen gehen und das Gefühl haben, wertvoll zu sein, aber bitte doch niemals wertvoller als die, für die wir arbeiten. Und diese Angst wird schon ganz früh in die Gehirne gebrannt. Wir lernen im Kindergarten, wie man sich benimmt, wie man sich anpasst. Was man werden soll. Wie man werden soll. Und dann bist du auf einmal fast dreißig und nun sollst du von heute auf morgen alles, was du gelernt hast, umdrehen und dir sagen: Ich kann. Alles, was ich mir vorstellen kann, kann ich erreichen. Ohne Ausnahme.

Ich brauchte dringend Antrieb und Motivation. Meine Entscheidung war deshalb so gefallen, weil ich über zwei Jahre eine Büroausbildung absolviert hatte, die ich nie hatte machen wollen. Ich weiß noch, wie ich in der Schule immer wieder erzählte, dass der schlimmste Job für mich ein Bürojob wäre, bei dem man nur Zahlen in den PC haut. Und genau diesen Scheiß' lernte ich, aus Mangel an Optionen. Alles, was ich vorher versucht hatte, hatte ich nicht wirklich für mich versucht, sondern für andere. Um zu gefallen. Um zu beeindrucken. Um ein Erfolg zu sein. Dabei war das Einzige, in dem ich so richtig erfolgreich hätte sein können, die Kunst. Ich kann mich nicht erinnern, dass mir irgendwann im Kindergarten mal jemand gesagt hatte, dass ich so gut in ein Büro passte oder dass ich ein Zahlenverständnis hatte, wie ein Bänker. Auch in der Schule hörte ich nie, dass ich mal Laborantin oder Botanikerin werden würde, so viel wie ich über chemische Prozesse wusste. Nein. Es war immer die Kunst. Ich wurde gelobt, weil ich gut sang. Weil meine inszenierten Theaterstücke beeindruckend waren. Weil ich gut moderieren konnte und meine Bilder immer Bestnoten bekamen. Weil meine Geschichten bereits in der fünften Klasse so sehr überzeugten, dass man mich zu literarischen Abenden einladen wollte. Weil ich gut war in dem, was ich liebte. Und solange ich noch nicht dafür bezahlt werden wollte applaudierte man mir auch. Das tat gut. Nach der Schule allerdings war das alles nicht mehr wichtig, denn es ging um Geld. Immer. Geld bedeutet Erfolg. Für die meisten Menschen, auch wenn viele hier wiederum vehement dagegen argumentieren würden, um besser dazustehen. Wir sind doch alle nicht frei davon!

Wenn wir jemanden sehen, der viel Geld hat und gut angezogen ist, dann denken wir, dass der ganz oben mitspielt. Ob wir das nun beneiden, belächeln oder bewerten - Oder alles zusammen. Wir erkennen es als etwas, dass mit Leistung zu tun hat. Wenn allerdings eine Schriftstellerin noch nichts nennenswertes veröffentlicht hat, jeden Tag über zwölf Stunden schreibt, plottet, Strategien ausarbeitet, dann finden wir das niedlich bis bewundernswert. Und wir bewundern es nicht, weil wir darin eine Karriere sehen. Wir nicken nur andächtig und finden es ganz toll, dass da jemand kreativ ist. Sein Hobby betreibt. Hobby! Und genau daher kommt dann auch die Annahme, dass man so etwas wie Schreiben, Malen oder allgemein Kreieren "nebenbei" tut.

Was hatte ich also im Januar 2018? Kein Geld. Keinen Job. Meinen Abschluss, für den ich mich irgendwie schämte.

Wenn ich das jemandem erzählte, dann sagte derjenige mir, dass ich herablassend sei, weil ich damit so rüberkommen würde, als glaubte ich, etwas Besseres zu sein. Das glaube ich nicht.

Ich glaube, dass wir alle besser sind, 

als ein Bürojob, der uns krank macht. 

Wir alle sind besser als Zahlen und Daten. 

Und wer meine Aussage, dass ich mich als kreativer Mensch durch diese Ausbildung selbst verleugnet habe, so interpretiert, der sollte sich überlegen, ob er damit nicht viel mehr über sich selbst und seine eigene Haltung verrät. Ich rede immer hin von mir und dem was ich mir wünsche, was mich erfüllt und glücklich machen würde. Nicht von allgemein gültigen Rezepten. Ich hatte jahrelang nach einer Ausbildung gesucht, die ich nicht machen wollte, und keiner hatte mich einstellen wollen. Ich hatte jahrenlang Studium, FSJ und alles Mögliche versucht, doch immer war es am Geld oder an meiner Gesundheit gescheitert, weil ich durch Unfälle einfach auch Pech hatte. Manchmal denke ich, dass mein Schicksal da oft mitgemischt hat, wenn man denn dem Schicksal eine Personifikation geben will. Alles schrie im Nachhinein danach, dass ich es falsch machte, obwohl ich gelernt hatte, dass ich es nur so richtig machen konnte.

Weißt du, lieber Schreiberling, was passierte, als ich beschloss, endlich zu sein, wer ich immer war? Ich heulte. Und ich schämte mich vor mir selbst, weil ich mein inneres Ich solange verleugnet hatte. Weil ich mich selbst verraten und verkauft hatte, nur, um ein Teil der grauen Masse zu werden. Das ist eine Sache, die ich mir schwer verzeihen kann. Und heute, da ich wieder überlege "normal" zu arbeiten, kommt diese Scham wieder hoch. Aber wir sind beim Januar 2018. Hier startete ich mit der Idee, dass man es doch schaffen können musste, ein Schriftsteller zu werden, wenn man sich nur hart genug reinhängte und alles gab. Genau zu diesem Zeitpunkt, als ich anfing mich mit Ausschreibungen zu beschäftigen, sah ich diesen einen Film im Kino: The Greatest Showman.

Und genau dort wurde mir klar, dass es Menschen auf der Welt gibt, wie mich. Das es Leute geben wird, die mich anfeuern. Und das ich es einfach nur angehen muss. Egal, wie lange es dauert. Im Januar 2018 fasste ich den Entschluss, dass ich Autorin, Künstlerin bin. Und das ich genau dafür bezahlt werden will, weil das mein Job ist, in dem ich gut bin.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Informiere und motiviere dich: Januar 2018

Schriftsteller werden: Eine kurze Einführung für interessierte Schreiberlinge